Die Wahrheit hinter dem Klopapier  

Von Markus Klemm 

Ja, ich gebe es zu. Ich war im Edeka. Und, ja, ich habe es gekauft: Klopapier. Denn bei meinem Lieferdienst gab es keine Termine mehr.

Und dort, im Edeka, kam in mir auf einmal echte Verzweiflung auf. Und noch mehr. Ich ging also zum Klopapierregal und ergatterte - ziemlich erleichtert - das allerletzte Paket. Danach war das riesige Regal restlos leer. Gleiches Bild übrigens bei Nudeln, Mehl und Eiern. Urplötzlich stieg in mir ein mulmiges Gefühl auf. 

Als ich in Richtung Kassen kam, sah ich die Markierungen für die Wartenden. „Mindestens 1,5 Meter Abstand" wurde überall gemahnt. Ich hielt mich natürlich daran. Und dann begann es, dort in der reglementierten Warteschlange, so richtig.

Mein gesamter Unterbauch zog sich zusammen. Ebenso mein Hals, in dem auf einmal ein dicker Kloß feststeckte. "Was ist denn los?", wunderte ich mich. Und nun begann auch der emotionale Teil: Verzweiflung und Angst wurden in mir immer stärker. "Was ist los?", fragte ich mich noch einmal. Das kam so plötzlich und dann auch so heftig. Dabei ist doch eigentlich alles in Ordnung.


Wie es weiter ging?

Nun war ich zunächst in dieser Situation echt froh über meine tiefe und regelmässige Meditationspraxis, in der ich gelernt habe, mit solchen Situationen gut umzugehen. Und zwar so, dass sie mich nicht blockieren oder gefangen nehmen.  Zuhause verstaute ich das Klopapier und ging dann noch einmal richtig in mich. Tief und intensiv. Und dabei wurde mir klar, was wirklich los war.

Es hatte nicht direkt etwas mit mir und der Situation im Edeka zu tun. Indirekt aber schon. Transgenerationales Trauma nennt man das. Unverarbeitete Traumata früherer Generationen. In meinem Fall die schweren Kriegstraumata meiner Großeltern und Eltern. 

Auch wenn es sehr lange zurück liegt und nicht mal von mir selbst erlebt wurde - da ist es trotzdem. Die traumatischen Folgen werden weitergegeben und können durch verschiedene Trigger reaktiviert werden. Bei mir waren es die leeren Regale und die reglementierte Warteschlange, verbunden mit einer sehr komischen, aggressiven Stimmung im Supermarkt. Mein Glück: Ich mache gerade eine intensive Fortbildung in einer speziellen Methode der Traumaheilung.

Darum war ich sehr schnell auf der "richtigen Fährte". Und was noch besser war, ich konnte richtig gut damit in mir arbeiten und zu einem echten inneren Frieden finden. Dafür bin ich so dankbar. 


Zurück zum Klopapier

Und zur Wahrheit dahinter. Nicht nur bei mir, sondern bei ganz vielen Menschen werden im Moment eine Menge an unverarbeiteten transgenerationaler Traumata reaktiviert. Und das kann dann auch zu diesem panikartigen Horten an allem Möglichen führen - eban auch an Klopapier.

Darum finde ich, dass wir zwar über die Menschen lächeln können, die Klopapier, Nudeln, Zucker und sonst was horten. Aber lasst uns doch auch in Betracht ziehen, dass etwas ganz anderes dahinter stecken kann. Inneres Leid. Der verzweifelte Wunsch, ein wenig Sicherheit zu erlangen, ein wenig mehr Ruhe, um diese Angst nicht so zu spüren, von der sie nicht mal wissen, woher sie vielleicht kommen mag. 

Manchmal ist es eben so, dass uns unsere oder die Vergangenheit unserer Vorfahren einholt. Denn unsere Prägung ist so unglaublich groß. Wir stecken tief in den alten Mustern gefangen, auch wenn wir das nicht wollen. Und meist noch viel weniger wahr haben wollen. 

Manchmal wird uns das durch solche Situationen aber deutlich, in denen wir stark innerlich emotional und körperlicdh reagieren und uns fragen, was denn eigentlich los ist. Wenn Du ein Thema hast, bei dem Du feststeckst, das Dich emotional immer wieder triggert, kann es ebenfalls sein, dass etwas aus Deiner oder der Vergangenheit Deiner Eltern und Großeltern dahinter steckt. Und - auch das lässt sich lösen. Diese innere Freiheit wünsche ich Dir von Herzen.

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